Pressemitteilung
ÖDP fordert wachere Zusammenarbeit beim Wasserschutz nach polnischem Quecksilber-Umweltskandal in der Oder
Die ÖDP Brandenburg fordert angesichts der jüngsten Umweltkatastrophe einen konsequenten, europaweiten Ansatz zum Gewässerschutz. Nationale Maßnahmen genügen nicht – nur durch verstärkte EU-Zusammenarbeit und striktere Regularien kann ein effektiver Schutz unserer Gewässer erreicht werden.
Das Ausmaß der Gift-Katastrophe im deutsch-polnischen Grenzfluss Oder ist beunruhigend und weckt böse Erinnerungen an frühere Chemieunfälle in den 70er und 80er Jahren entlang des Rheins. Kaum war damals eine Giftwelle aus Sandoz in der Nordsee gelandet, ereignete sich bei BASF ein sogenannter Störfall. 2000 Tonnen Herbizide ergossen sich damals in den Fluss. Dann war Höchst dran mit Chlorbenzol. Es folgten Bayer Uerdingen mit Chlormetakresol und Bayer Leverkusen mit Methanol; weitere Chemieunfälle schlossen sich an.
Erschreckenderweise konnte nun unvermutet Quecksilber im wieder durch polnische Industriebetriebe verschmutzten Oderwasser in Brandenburg nachgewiesen werden. Nun sind es zehntausende verendete Fische, die aktuell in diesem und jenseits des Grenzflusses auf langer Strecke, kilometerweit unweit Frankfurt an der Oder, entdeckt werden. Über die gesamte Strombreite treiben tote Fische und Biber bis weit hinter Schwedt in der von Niederschlesien kommenden Giftbrühe. Man habe so etwas noch nie gesehen, sagen örtliche Fischermeister. Unter Wasser wird nun alles Leben durch den vorgefundenen Giftcocktail zerstört – Muscheln, Insektenlarven, Krebse und andere Wasserlebewesen des so wertvollen Ökosystems sterben ab. Das derzeitige Niedrigwasser verschärft die Situation, denn je weniger Wasser auf dem Fluss ist, desto höher ist die Konzentration der Stoffe.
Thomas Löb, Landeschef der Brandenburger Ökodemokraten, kommentiert: „Es ist annehmbar, dass Seeadler und andere geschützte Wasservögel Gift durch die toten Fische aufnehmen. Nach dem mittlerweile eingetretenen Massensterben bei besonders empfindlichen Amphibien werden in der Nahrungskette nachfolgende Aasfresser ebenso betroffen sein und daran sterben. Wir brauchen deshalb schnellstens mehr ernsthafte wie einklagbare Wasserschutzrechte und international schnell anwendbare Sanktionsmechanismen!“
Für die artenreiche Fluss- und Auenlandschaft ist das nun der absolute Super-Gau und wird weitreichende wie langjährige Folgen für den Nationalpark Unteres Odertal mit sich bringen. Denn gerade Quecksilber ist ein extrem giftiger Stoff, der sich fatalerweise auch nicht einfach so abbaut, sondern über Jahrhunderte in der Umwelt verbleibt. Er reichert sich gar im Fettgewebe der jeweiligen Organismen an. Ein so hochtoxischer Stoff darf keinesfalls ins Trinkwasser gelangen; das Eindringen in tiefere Grundwasserleiter gilt es unbedingt zu verhindern!
Es ist aber zu befürchten, dass das Quecksilber langfristig bis in die Mündungsarme des Stettiner Haffs – sprich in die Ostsee – gelangen wird. Das wäre eine zusätzliche Katastrophe, mit der wir die nächsten hundert Jahre noch zu kämpfen hätten. Über die dort später einmal gefangenen Speisefische wird das Quecksilber auf unsere Teller zurückkehren.
In Polen wächst derweil die Kritik unter Naturschützern und örtlichen Anglerverbänden an einer zu langsamen Reaktion der Behörden und der Regierung auf das gravierende Fischsterben hin. So berichtet der Bürgermeister des Ortes Krosno Odrzanskie, Marek Cebula, in der Zeitung „Gazeta Wyborcza“ darüber, dass die polnische Seite schon seit dem 26. Juli Bescheid wusste. Informationen über den Vergiftungsgrad des Wassers gingen angeblich auch vom lokalen Umweltschutzamt in Wrocław und von ihrem Messpunkt in der Schleuse bei Olawa zu. Diese wichtigen Erkenntnisse wurden aber erst vor drei Tagen an Deutschland weitergereicht, nachdem eine automatische Messung im Fluss derart hoch ausfiel, dass man anfangs dem übermittelten Ergebnis keinen Glauben schenken wollte.
Das Fischsterben in der Oder ist nun nach Aussage von Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki offenbar durch die Einleitung von Chemieabfällen ausgelöst worden. „Es ist wahrscheinlich, dass eine riesige Menge an chemischen Abfällen in den Fluss gekippt wurde – und das in voller Kenntnis der Risiken und Folgen“, sagte Morawiecki in einer am Freitag auf Facebook veröffentlichten Videobotschaft. Donald Tusk, ehemaliger Präsident des Europäischen Rates, sprach von „einem der größten Umweltskandale der vergangenen Jahre – nicht nur in Polen“.
Der ehemalige Europaabgeordnete der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP), Prof. Dr. Klaus Buchner, stellt deshalb folgende Forderungen auf: „Es muss zukünftig eine kontinuierliche Messung aller hochgiftigen Chemikalien und Abfallstoffe vor Ort der jeweiligen Produktion oder Lagerung erfolgen, die möglicherweise in die Luft oder in das Abwasser gelangen können. Dabei sind auch Unfallszenarien zu berücksichtigen. Diese kontinuierlichen Messungen sind von der zuständigen Behörde durchzuführen, nicht in ‚Eigenverantwortung‘ der jeweiligen Firma.“ Weitergehend empfiehlt der ehemalige EU-Parlamentarier: „Auf nationaler Ebene müssen solche Messungen bei allen Firmen gesetzlich vorgeschrieben werden, die mit Giftstoffen umgehen. Zusätzlich muss dazu eine EU-weite Verordnung erlassen werden. Es ist nun aktuell einzufordern, dass eine internationale Untersuchungskommission die bis dato in Polen vertuschten Vorkommnisse der toxischen Einleitungen ungeschönt aufklärt, um Sanktionen zu veranlassen.“