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Pressemitteilung

Kein 400 Hektar großer Gewerbepark mitten im Wald

ÖDP stellt sich quer: Aus der Zeit gefallene Planung eines Industriegebietes unweit Kloster Lehnin darf aufgrund Verfahrensfehler nicht realisiert werden!

Laut der regionalen Planungsgemeinschaft Havelland-Fläming beinhaltet der sogenannte Regionalplan 3.0 einen „groß-industriellen Vorsorgestandort“ (GIV) in Brandenburg an der Havel zwischen den Ortsteilen Göttin, Krahne, Rotscherlinde und Paterdamm. Dafür wären bis zu 4.000.000 m² Wald im Süden der Stadt abzuholzen. Die ÖDP Brandenburg steht deshalb der lokalen Bürgerinitiative in ihrer Ablehnung des Projekts bei.

Es ist allerdings gut nachvollziehbar, dass die regionale Planungsgemeinschaft wesentliche Kernkriterien zur Festlegung eines Großindustriestandortes nicht berücksichtigt hat. Der zukünftige Gewerbestandort Paterdamm-Krahne ist somit nicht geeignet, da im Abwägungsprozess eklatante Fehler begangen wurden. So fehlt beispielsweise eine notwendige Umschlagsmöglichkeit auf andere Gütertransportmittel – eine Grundvoraussetzung, die für einen „groß-industriellen Vorsorgestandort“ gilt. Denn der Landesentwicklungsplan Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg (LEP HR) hat das Ziel für die im Planungskonzept verankerte Standortauswahl ganz eindeutig vorgegeben.

Kriterien, die hierbei nicht erfüllt werden, sind etwa:

  • Eine räumliche Nähe zu mindestens einem weiteren Verkehrsträger neben der Straßenanbindung,

  • eine konfliktarme Lage in Bezug auf benachbarte Raumnutzungen und

  • ressourcenschonende, ökonomische Erschließungsvorteile für eine grundsätzliche gewerblich-industrielle Nutzung.

Standorte, die als „groß-industrieller Vorsorgestandort“ (GIV) potenziell geeignet sind, sollten sich daher in räumlicher Nähe zu einem Zustieg zum Schienenverkehr befinden. Anschlussgleise sind in der Region jedoch nur noch in wenigen Fällen erhalten und erschließen zumeist bereits ausgelastete Gewerbegebiete. Insbesondere im Hinblick auf das zu erwartende Aufkommen an Berufspendlern sollten nur Standorte in Betracht kommen, die sich in der Nähe eines geeigneten Bahnhofs befinden – als räumliche Nähe gilt ein Umkreis von fünf Kilometern, wobei davon ausgegangen wird, dass sich geeignete Standorte in diesem Umkreis mit Bussen innerhalb von ca. 10 Minuten und mit dem Fahrrad innerhalb von 20 Minuten erreichen lassen.

Das ist aber der nächste Widerspruch, denn bereits seit 2003 verkehrt die Städtebahn nicht mehr auf dem Abschnitt zwischen Bad Belzig und Brandenburg an der Havel. Die Bahn stellte damals die Personenbeförderung ein und bot den Streckenabschnitt zum Verkauf an – woraufhin ein Privatkäufer Schienen, Schwellen sowie anderes Material vor mehreren Jahren vollständig demontieren ließ und die Bahntrasse daraufhin entwidmet wurde. Die Entfernung der Anschlussstelle Brandenburg an der Havel an der Bundesautobahn A2 – als Zentrum der nord-südlichsten Ausdehnung des Baugeländes – beträgt wiederum zum Hauptbahnhof, dem nächstgelegenen Bahnanschluss, 9 km bzw. 13 Minuten Autofahrt. Die Regionalplanung bewertete somit die Anbindung des Industriegebiets an den öffentlichen Nahverkehr mit verfälschten Reisezeiten und geschönten Zahlen. Auch die Alternative des Wasserwegs entfällt, da der Stadthafen Brandenburg in 10 km Entfernung liegt. Somit stellt sich heraus, dass der Standort den Vorgaben des Landesentwicklungsplans mangels der räumlichen Nähe zu mindestens einem weiteren Verkehrsträger neben der Straßenanbindung nicht entspricht.

Die Eingriffsmaßnahme ist zudem eine Nichtbeachtung des Bundes-Klimaschutzprogramms 2030. Deutschland trägt als führende Industrienation eine besondere Verantwortung im weltweiten Klimawandel. Die Bundesregierung hat deshalb im Herbst 2019 Eckpunkte für ein Klimaschutzprogramm 2030 beschlossen, um die Klimaziele zu erreichen. Dabei wurde eine höhere Gewichtung des Schutzguts Wald in Bezug auf Eingriffe durch den Menschen festgeschrieben. Wie soll man angesichts des drohenden Verlusts von 400 ha Wald im Stadtgebiet Brandenburg an der Havel wichtige Funktionen wie Verkehrsentlastung, Naherholung und gesundheitliche Entschleunigung gleichwertig kompensieren?

Ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet gar den Staat, derart aktiv vorzubeugen, dass es künftig nicht zu unverhältnismäßigen Einschränkungen der Freiheitsgrundrechte der heutigen, jüngeren Generationen kommt. Nach § 13 Abs. 1 KSG sind alle Träger öffentlicher Aufgaben bei Planungen und Entscheidungen verpflichtet, den Zweck des Klimaschutzgesetzes und die zu dessen Erfüllung festgelegten Ziele zu berücksichtigen. Das Klimaschutzprogramm des Bundes besagt etwa, dass „insbesondere in Wäldern und Mooren, aber auch allgemein in Böden gespeicherte Kohlenstoffvorräte vor Freisetzung durch die menschliche Nutzung zu schützen und die weitere Einbindung von Kohlenstoff durch natürliche Senken zu fördern sind.“ Im vorliegenden Fall wurde das Bundes-Klimaschutzgesetz in Verbindung mit den im Klimaschutzprogramm 2030 verankerten Maßnahmen nie berücksichtigt, sodass es im Abwägungsprozess keine Beachtung fand. Gerade der Sektor Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft ist derzeit der einzige, in dem mehr Treibhausgase gebunden werden, als freigesetzt werden.

Das Klimaschutzprogramm schreibt zudem vor, dass wirksame Maßnahmen zur Eindämmung des Flächenverbrauchs für Siedlungs- und Verkehrszwecke mit einhergehen müssen. Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie enthält das Ziel, den Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsflächen – sprich den Flächenverbrauch – bundesweit von heute durchschnittlich noch 58 Hektar pro Tag bis spätestens 2030 auf unter 30 Hektar pro Tag zu reduzieren. Gemäß dieses Bundesprogramms „soll bis 2050 das Ziel einer Flächenkreislaufwirtschaft erreicht werden.“ Diesen klaren Zielvorgaben zum Netto-Null-Flächenverbrauch des Bundes steht das Festhalten am Landesentwicklungsplan Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg (LEP HR) entgegen. Zur Erreichung des geforderten Ziels der Flächenkreislaufwirtschaft muss die Nutzung bestehender Gewerbe- und Industriestandorte in der Landes- und Regionalplanung prioritär als Grundsatz verankert werden. Selbst wenn eine solche Nachnutzung, etwa aufgrund von Altlasten auf Konversionsstandorten oder ehemaligen Industrieflächen, kostenintensiver ist, muss die ökonomische Frage im Abwägungsprozess hinter dem Klimaschutzziel der Verringerung des Flächenverbrauchs zurückstehen. Der Standort Paterdamm-Krahne kommt demnach nicht in Frage und ist folglich aus dem weiteren Verfahrensprozess auszuschließen!

Die Region Berlin-Brandenburg erlebte 2020 den dritten Dürresommer in Folge. Zusammen mit der Trockenlegung und Nutzung der riesigen Moorgebiete seit dem 18. Jahrhundert, den ausbleibenden Niederschlägen, der damit verbundenen ungewöhnlichen Trockenheit in tieferen Bodenschichten und den veränderten Vegetationsperioden spielt das Waldgebiet bei der Grundwasserneubildung eine bedeutende Rolle. Die Dimensionierung notwendiger Wasserentnahmen in einem „groß-industriellen Vorsorgestandort“ (GIV) ist nach unserem Verständnis – in Verbindung mit dem notwendigen Erhalt der Wasserzuflüsse zu den angrenzenden Naturschutz- und Wohngebieten – ganzheitlich zu betrachten. Das ist jedoch nicht geschehen.

Auch behördliche Stellen stehen dem Projekt skeptisch bis ablehnend gegenüber. Die Fachgruppe Wasser (VII/70) der Stadtverwaltung Brandenburg an der Havel lehnt den angedachten Standort aus wasserhaushaltlicher Sicht ab. Sie begründet dies damit: „Die Abholzung des Waldes wäre kontraproduktiv für das Projekt der Wiedervernässung des Landes und der Stadt.“ Außerdem: „Es stellt sich die Frage, ob ein solches, für Brandenburger Verhältnisse topographisch bewegtes Gelände für eine Industrieansiedlung geeignet ist. Für die Ansiedlung wäre zu erwarten, dass erhebliche Einebnungen und Veränderungen der Topographie erforderlich würden.“ Von Seiten der Unteren Naturschutzbehörde bestehen erhebliche Bedenken gegen die Ausweisung der Fläche als gewerblich-industrieller Vorsorgestandort. Einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung und somit eine mehrheitliche Zustimmung zur Ausweisung eines „groß-industriellen Vorsorgestandorts“ (GIV) gibt es unseres Wissens zudem nicht – diese blieb nach unserem Kenntnisstand bei Anhörungen sowie bei der Sachverhaltsermittlung und Abwägung außen vor. Die mit der Stadtverordnetenversammlung abgestimmten städtischen Konzepte präferieren jedoch ein „Wachstum von innen“. Die großflächige Zerstörung wertvoller Naherholungszonen und Ausgleichsflächen gehört ausdrücklich nicht dazu! Die negativen, langfristigen Auswirkungen der Errichtung eines solchen Projekts dominieren klar die möglicherweise kurzfristig erzielbaren wirtschaftlichen Vorteile.

Durch die Rodung des Waldes wird die Attraktivität nahegelegener Wohngebiete weiter leiden; zugleich verschenkt man zukünftig die natürlichen Filtereffekte der Bäume gegenüber örtlichen Emissionen – wie sie beispielsweise durch die starke Verkehrsbelastung der Bundesautobahn A2 entstehen. Es gibt außerdem wasserhaushaltliche Bedenken hinsichtlich der Regeneration des Grundwasserstandes. Denn die letzten Dürrejahre seit 2018 zeigten auch in der Stadt Brandenburg an der Havel insgesamt eine sinkende Tendenz. Bei der Auswertung der in den letzten fünf Jahren gefallenen Niederschläge fehlt es an insgesamt rund 1,5 Jahren Niederschlagsmenge. „Dies wirkt sich maßgeblich auf die Durchflüsse und Wasserstände der Oberflächengewässer und auf die Grundwasserneubildung aus“, heißt es in der Beantwortung einer Anfrage der Stadt Brandenburg an der Havel. Der durch Kahlschlag nun bedrohte Waldabschnitt ist zudem ein wichtiger Faktor, um den regionalen Wasserhaushalt inklusive der Wiedervernässung nachhaltig positiv zu beeinflussen. Beim Verlust jener Bäume ist von unmittelbaren negativen Auswirkungen auf das angrenzende Naturschutzgebiet „Bruchwald Roßdunk“ in Verbindung mit der Gefahr eines Trockenfallens auszugehen. Die Festlegung eines „groß-industriellen Vorsorgestandorts“ (GIV) sollte wegen unklarer zusätzlicher Grundwasserentnahmen abgelehnt werden.

Zumal der Wald mehr als 500.000 Bäume umfasst, die teilweise über 140 Jahre alt sind und für den Klimaschutz unabdingbar sind. Er besteht an vielen Stellen bereits als Mischwaldbestand und wurde von seinen privaten Waldbesitzern fortlaufend durch Verjüngungsmaßnahmen gepflegt. Die Wasserader für das angrenzende Naturschutzgebiet, das als Moor- und Auenwald mit seiner einmaligen Pflanzen- und Tierwelt in der Gegend gilt, ist die Heimat von Seeadlern, Kranichen und anderen schützenswerten Tieren.

 

Pressekontakt:

Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), Landesverband Brandenburg
–Landespressestelle–
Gartenstraße 2
16798 Fürstenberg

E-Mail: presseoedp-brandenburg.de
Internet: www.oedp-brandenburg.de
Ansprechpartner: Thomas Löb – thomas.loeboedp.de – Tel.: 0175-9966701
V.i.S.d.P.: Thomas Löb

Fotos: pixabay.com

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